Eine Freundschaft in Afrika 
von Maren Brenneke 

Es war der Sommer 2006. WM in Deutschland, ein Freudenfest, doch eine unrunde Zeit für mich persönlich. Da kam es mir gerade recht, dass eine treue Kundin namens Gertraud mit einem Anliegen im Reisebüro aufschlug: „Ich möchte meinem Lebensgefährten Tansania zeigen! Und zwei Freundinnen möchten auch noch mitkommen. Kannst Du mir eine schöne Privatreise nach meinen Vorgaben zusammenstellen?“ Sie hatte Ende der Siebziger für einige Jahre in Moshi gelebt und am KCMC-Krankenhaus als Ergotherapeutin gearbeitet. 

In Afrika kannte ich mich gut aus, das Übliche halt: Namibia von einer Rucksack-Bulli-Zeltreise nach dem Abitur mit einer Hand voll Freunden, auch Südafrika, Botswana, Teile von Simbabwe, das war mir geläufig. Natürlich kannte ich den Kilimandscharo, von der Großen Tierwanderung in der Serengeti hatte ich gehört. Aber viel weiter reichten die Kenntnisse nicht.

„Sicher!“, gab ich indes zurück, und machte mich an die Arbeit. Je länger ich an der Ausarbeitung feilte, umso mehr wuchs mein Wunsch, selbst mitzufahren. Was man eben an Kindheitsträumen hat! Ich wollte schon immer ein Foto vom majestätischen Kilimandscharo mit ein paar Giraffen im Vordergrund. Und natürlich hatte ich „Jenseits von Afrika“ gesehen! So äusserte ich mich irgendwann vorsichtig gegenüber Getraud und mit strahlendem Gesicht und offenen Armen hieß sie mich willkommen – ich war mit von der Partie! Wie aufregend das war! Bei jedem Erstgespräch mit Interessenten fühle ich noch heute das Kribbeln von damals und die freudigen Erwartungen der Gesprächspartner wabern durch die Telefonleitung zu mir herüber. Tansania – so weit weg, so anders, so fremd, so wunderbar! Und trotz Internet und Reisedokumentationen am laufenden Band wissen wir so wenig über diese von unserer europäischen so grundsätzlich verschiedenen Welt! 

Wichtig ist Zeit. Zeit zum Ankommen und Loslassen. Denn in Tansania ist alles anders. Zeit? Anders. Die Europäer haben eine Uhr, die Afrikaner haben Zeit! Jahreszeit? Anders. Straßenverkehr? Anders. Küche? Anders. Das Lebensgefühl – grundverschieden. Ohne Smartphone, Follower und Spiegel Online, dafür mit Tagebuch und Lagerfeuergesprächen – was war das für eine herrliche Zeit im Herbst 2006!

Gut Ding will Weile haben. Ich hatte mich Hals über Kopf in dieses Land verliebt, doch erst im Januar 2010 führte ich meine erste Gruppe in die Serengeti. Ein junger Guide namens Emmanuel Kimario steuerte unseren Landcruiser, den ich mit meiner Schwester und 4 Kunden teilte. Er kam frisch von der Uni und war voller Träume und Ambitionen. Als wir uns schließlich verabschiedeten war klar, dass wir einander eng verbunden bleiben würden. Es gab noch kein WhatsApp, nur wenige Internetcafes in Arusha, aber von Zeit zu Zeit schrieben wir uns E-Mails und nie habe ich vergessen, was er mir am Airstrip von Seronera zum Abschied sagte: „Du bist jetzt ein Teil von meinem Leben, Maren. Und weißt Du was: Ich werde nicht für immer anderer Leute Autos fahren. Ich möchte meine eigenen Autos haben, meine eigene Safari-Company!“ Ich weiß noch heute, wie seine Augen leuchteten, als ich nickte und sagte: „Und ich schicke Dir die Gäste!“ 

Viele Reisen waren seit dem gelaufen, wir nutzten zu dieser Zeit noch einen Zwischenhändler als Reiseveranstalter im Sinne des Reiserechts, und im Juli 2016 schließlich schickte mir Ema, wie wir ihn nannten, ein Foto von seinem eigenen Toyota LandCruiser. Sechs Jahre hatte er gespart und sich abgerackert und er war voller Stolz! Er hatte Ziele. Nebenbei hatte er das Jura-Studium der Schwester und das Safari-Guide-Studium seines kleinen Bruders finanziert. Ein Haus gebaut. Aber sein großes Ziel verlor er nie aus den Augen. Wir waren enge Freunde geworden, schrieben uns dauernd, er war mir so nah, wie ein Bruder. Mein bester Freund.

Zu dieser Zeit hatten hier in Deutschland unsere Arbeiten an der Marke „Abenteuer Tansania“ längst begonnen. Ich habe geschwiegen, wollte ihn mit der fertigen Webseite überraschen. Am 1.12.2016 sollte sie online gehen. 

In der Nacht, als Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten wurde, ist mein Freund Emmanuel Kimario im Alter von nur 32 Jahren an einer falsch diagnostizierten Hepatitis Erkrankung in Nairobi im Krankenhaus gestorben, letztlich an multiplem Organversagen. Keine drei Monate nach unserer letzten gemeinsamen Reise. Wir konnten nichts mehr für ihn tun. Eine Impfung kostet nur 50 USD, die hätte er sich locker leisten können. Er war gebildet, wusste alles über sein Land und die Tiere, alles über LandCruiser und die Reparaturen, sprach drei Sprachen fließend… Nur über Gesundheitsthemen weiß die große Masse in Tansania bis heute absolut gar nichts. 

An seinem 33. Geburtstag, dem 23.12.2016, sind wir schließlich mit gut drei Wochen Verspätung zu seinen Ehren mit Abenteuer Tansania online gegangen und haben seit dem schon Hunderte Gäste durchs Land von Kilimandscharo und Serengeti geführt. Sein Kumpel Wilson, der mir ein vertrauter, kluger Freund und unersetzlicher Vermittler zwischen zwei Welten geworden ist, arbeitet nun an seiner statt für uns. 

Ohne Emmanuel Kimario würde es Abenteuer Tansania heute nicht geben. 

Epilog
Februar 2019 

Unsere Gruppenreise neigt sich dem Ende zu. Kenia haben wir schon lange hinter uns gelassen, auch der Safari-Teil in Tansania ist jetzt beendet. Wir erreichen den Flughafen von Arusha, wo in Kürze unsere Maschine nach Sansibar abhebt. Was für ein Kommen und Gehen! Ich erspähe ein Auto mit dem Aufdruck „Albatros Travel“ und rufe Eddie, meinem Guide, zu: „Hey Eddie, die kenne ich, 2006 habe ich mit Albatros meine erste Tansania-Reise gemacht. Ich hatte einen ganz netten Guide, Joseph Shayo!“ Eddie lacht mich an. „Joseph Shayo??? Ich kenne ihn! Er ist ein guter Freund von mir!“ „Ach was!“, sage ich „was für ein Zufall! Grüß ihn schön! Ich wollte ihn 2010 engagieren, für meine erste Gruppe, wir waren uns einig, aber zwei Tage vorher hat er abgesagt und uns hängen lassen. Ich war echt sauer damals! Aber alles lange her. Beste Grüße von mir!“ 

An Josephs Stelle sprang damals ein junger Guide ein, frisch von der Uni. Sein Name war Emmanuel Kimario.